Sammelverbote in
Wäldern um
Ballungsgebieten,
Pilzkontingentierungen in
der Schweiz, in Österreich
und Frankreich - es
scheint, als hätte unseren
Pilzen in Wald und Flur
das letzte Stündlein
geschlagen. Aber stimmt
das wirklich?
Tatsache ist: Seit mehreren
Jahren wird stellenweise ein
bedrohlicher Rückgang der
Pilzbestände beobachtet. Die
Naturschutzbehörden im In-
und Ausland reagierten darauf
mit hektischen Aktionen, die
sich in erster Linie gegen
Pilzsammler richteten:
Pilzsammelverbote vor allem
im Einzugsbereich der
Großstädte und - wie in der
Schweiz, in Österreich oder
Frankreich - mit
Kontingentierungen. Hier darf
jeder Pilzsammler pro Tag
nicht mehr als zwei Kilo Pilze
sammeln. Wer mit mehr
erwischt wird - dort finden
richtige Kontrollen durch die
Polizei statt - muß mit
empfindlichen Geldstrafen bis
zu 1000,- DM rechnen - zahlbar
an Ort und Stelle!
Aber ist das der richtige Weg?
Warum die Pilze weniger
werden, darüber gibt es eine
Menge Theorien, deren
wissenschaftliche Überprüfung
nur zäh vorankommet:
1. Pilzsammler rotten die Pilze
aus, indem sie alles
wegsammeln, was irgendwie
essbar ist. Ein schwerer
Vorwurf, kann man doch davon
ausgehen, dass es in
Deutschland zwischen 5 und 10
Millionen Pilzsucher gibt.
Gegenargument: Nicht nur
essbare und hochbegehrte Pilze
wie Pfifferlinge und Steinpilze
nehmen ab, auch die weniger
bekannten, die ungenießbaren
und giftigen Pilze gehen
zurück. Außerdem müssten z.
B. Pifferlinge in Polen oder
Tschechien schon längst
ausgerottet sein, weil sie dort
hemmungslos gesammelt und
auf deutschen Märkten
verkauft werden. Eine
Abnahme aber ist nicht
erkennbar, ansonsten wären
diese Pilze hier schon so teuer
wie Trüffeln.
2. Umweltverschmutzung:
Abgase und saurer Regen
haben den Wald so zerstört,
dass den Pilzen die
Lebensgrundlage entzogen
wird: Die Bodenchemie hat sich
geändert, viele Bäume, die mit
Pilzen in Symbiose leben
(Mykorrhiza) sind krank oder
abgestorben.
Gegenargument: Die
Emmissionen sind in den
letzten Jahren durch den
Einbau von Filtern, durch
Katalystoren und hochmoderne
Heizungssysteme kontinuierlich
zurückgegangen. Ausserdem
müssten Pilze, die sich
parasitisch ernähren (der
Hallimasch z. B. greift
bevorzugt kranke und
geschwächte Bäume an) oder
Totholz bevorzugen (viele
Baumpilzarten), aufgrund
besserer Lebensbedinungen
zunehmen.
3. Der Naturschutz ist schuld.
Paradox aber nicht
unwahrscheinlich: Immer mehr
Wälder werden "naturnah"
gestaltet: Totholz bleibt im
Wald, weil es eine ökologisch
wichtige Funktion für zahllose
Tierarten besitzt. Dadurch aber
werden Pilzstandorte einfach
zugedeckt. Pfifferlinge z. B., die
gerne auf sauberem Moosgrund
wachsen, finden solche Stellen
nicht mehr. Folgerung: Pilze
sterben nicht aus, sondern
werden nur auf ein natürliches
Maß "zurückgestutzt".
4. Der große Bestand an
Wildschweinen in den Wäldern
schadet der Pilzflora.
Wildschweine sind
ausgesprochene Pilzliebhaber.
Aber sie machen nicht vor dem
Fruchtkörper halt, sondern sie
brechen über weite Flächen
den Waldboden um und
zerstören so das Myzel, den
eigentlichen Pilz.
In der Tat: Dort, wo keine oder
nur wenige Wildschweine
vorkommen, findet man häufig
eine sehr große Arten- und
Indviduenzahl von Pilzen im
Wald.
5. Alle Befürchtungen sind
umsonst, es handelt sich um
natürliche Bestands-
Schwankungen in Reich der
Pilze.
Das ist ein Argument, das vor
allem Betroffenheitsökologen,
die jede menschliche Regung in
der Natur verdammen, gar
nicht gerne hören, entzieht es
ihnen doch ihre
Existenzberechtigung. Aber
man muß sich nur einmal vor
Augen halten, wie fruchtbar
Pilze sind. Beispiel
Riesenbovist, der sehr oft so
groß wie ein Medizinball wird
und auf Viehweiden wächst:
Dieser Pilz produziert die
unvorstellbare Zahl von 15
Billionen Sporen pro
Fruchtkörper. Würden alle
diese Sporen einen neuen Pilz
erzeugen, so hätte es die vierte
Generation geschafft 249
Erdkugeln bis zu einem Meter
hoch zu bedecken - inklusive
der Ozeane, versteht sich! Es
mag sich bei diesem Pilz um
ein Extrembeispiel handeln,
doch selbst kleinere Pilze
erzeugen schon Sporenmengen,
die in die Milliarden gehen.
Und wo immer sich ein
Lebensraum für eine Pilzart
ergibt, wird er auch besiedelt.
Ein überraschendes Beispiel
sind die Kohleabraumhalden im
Saarland, auf denen nicht nur
eine ausserordentlich große
Artenzahl wächst, sondern
auch Pilze vorkommen, die
man in dieser Gegend sonst
nicht findet. Pilzparadiese aus
Menschenhand und ein
weiteres Indiz dafür, wie
anpassungsfähig Pilze sind.
Fazit: Es mögen alle fünf
Argumente bei dem Rückgang
unter den Pilzarten eine
gewisse Rolle spielen. Der
Hauptgrund aber ist bestimmt
nicht übermäßiges Sammeln. Es
nutzt also überhaupt nichts,
Pilzsammelverbote
auszusprechen. Viel wichtiger
ist es, die Lebensbedingungen
für die Pilze zu optimieren:
Weiteres Zurückschrauben der
schädlichen Emissionen und –
ja, auch ein verschärftes
Bejagen des Schwarzwildes.
Genießen wir also weiterhin
die noch vorhandene Pilzfülle
in unseren Wäldern, auf
unseren Wiesen und Weiden –
als Augen-, aber auch als
Gaumenschmaus!
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