Psilocybinpilze der Welt



Paul Stamets

Psilocybinpilze der Welt

Ein praktischer Führer zur sicheren Bestimmung
mit 130 Farbfotos
AT Verlag, 1999

ISBN: 3855026076

DM 48.00
Von Tjakko Stijve

Am Ende der siebziger Jahre, als ich anfing das mögliche Vorkommen von halluzinogenen Pilzen in Europa zu studieren, gab es eigentlich kaum Literatur auf diesem Gebiet, ausgenommen das klassische Buch «Les Champignons toxiques et hallucinogènes» von Roger Heim, worin Psilocybe semilanceata und Panaeolus subbalteatus als psychoactive Pilze erwähnt wurden, aber das war eigentlich alles. Dagegen erschienen damals schon in Amerika viele, meist kleine Führer, zum Teil von sehr mittelmässiger Qualität, die die rekreative Verwendung solcher Pilze propagierten mit Beschreibungen und Farbphotos der wichtigsten, in Nord-Amerika vorkommenden, halluzinogenen Arten.
Ein Buch, das sich von diesen, oft recht dilettantischen Veröffentlichungen angenehm unterschieden hat, war Paul Stamets' «Psilocybe mushrooms and their allies», das 1978 von der Homestead Book Company in Seattle ( Staat Washington ) herausgebracht wurde. Dieses Buch gab nicht nur brauchbare Schlüssel für nordamerikanische Vertreter der Gattungen Stropharia, Psilocybe und Panaeolus, sondern auch ausgezeichnete Beschreibungen der Arten, illustriert mit sehr guten Farbbildern. Es hat dann auch manchem europäischen Wissenschaftler geholfen, die hier vorkommenden, halluzinogenen Pilze zu identifizieren. Etwa 20 Jahre später, ist jetzt die Zahl bekannter psychoaktiver Kahlköpfe und Düngerlinge stark gestiegen und ausserdem hat man auf beiden Seiten des atlantischen Ozeanes entdeckt, dass die halluzinogenen Wirkstoffe, Psilocin und Psilocybin auch in gewissen Vertretern der Gattungen Conocybe, Pluteus, Gymnopilus, Inocybe und sogar Galerina enthalten sind.
Es war also Zeit für ein neues, die heutigen Kenntnisse zusammenfassendes, Buch und es ist wieder Paul Stamets, der diese Herausforderung angenommen hat mit der Ausgabe eines Welt-Führers für psilocybinhaltige Pilze. Nach einigen kurzen Kapiteln über u.a. Geschichtliches, ökologische Aspekte, die weltweite Verbreitung dieser Pilze, die sechs klassischen Biotope, wo man Kahlköpfen und Düngerlingen begegnet, wie man sammelt und identifiziert, wird der grösste Teil des Buches - unterschieden durch gelbe Seiten - den «major und minor psilocybin genera» - gewidmet. Die Abhandlung über die Gattungen Psilocybe und Panaeolus ist zweifellos die interessanteste. Die makroskopischen und mikroskopischen Beschreibungen der einzelnen Arten sind sehr gut und die ausgezeichneten Farbphotos wird man sonstwo vergeblich suchen. Soweit bekannt, werden bei jeder Art die Konzentrationen der aktiven Inhaltsstoffe Psilocin, Psilocybin und Baeocystin angegeben.
Auch werden sogenannte «inactive species», wie z. B. Panaeolina foenisecii und Panaeolus antillarum aufgeführt, weil diese Arten in der Literatur oft zu Unrecht als halluzinogen bezeichnet werden. Viele der 63 beschriebenen Kahlköpfe sind tropische oder subtropische Arten, wobei es einige gibt, die erst kürzlich entdeckt wurden, z.B. Ps. samuiensis Guzman, Allen & Merlin der thailändischen Insel Koh Samui, und auch Ps. natalensis, eine stark bläuende Art aus Süd-Afrika, die erst in 1996 von Gartz c.s. entdeckt wurde.
Das Kapitel bezüglich der Gattungen, worin nur wenige Arten psilocybinhaltig sind ( «minor psilocybin genera« ) basiert, vorallem, was die halluzinogenen Risspilze betrifft, auf den Veröffentlichungen von Drewitz, Gartz und Stijve & Kuyper. Wer schon mit dieser Literatur vertraut ist, findet hier nichts Neues. Auch der Mangel an Photos der genannten Risspilze ist etwas enttäuschend. Das Vorkommen von Psilocin / Psilocybin in einigen Gymnopilusarten ist noch immer umstritten. Nach der Erfahrung des Rezensenten, könnte ein positives oder negatives Ergebnis vom Zeit-Intervall zwischen dem Sammeln und der chemischen Analyse abhängig sein. So enthalten frische, stark bläuende G. purpuratus viel Psilocin, das aber, sogar in getrocknetem Material, in zwei Wochen völlig verschwinden kann.
Stamets zeigt in seinem neuen Buch einen gewissen Hang zu einer billigen Pilz-Mystik. So berichtet er ziemlich ausführlich von seinen eigenen Erfahrungen mit «magic mushrooms». In diesem Zusammenhang ist es typisch, dass Stamets erstes Buch von dem Mykologen Gaston Guzman eingeleitet wurde und jetzt von dem alternativen Arzt Andrew Weil, der schon einen gewissen Ruf wegen seinen mythischen und unwissenschaftlichen Veröffentlichungen hat. Infolgedessen findet man im neuen Buch gewagte Theorien wie, z.B. die Fähigkeit Psilocybin zu synthetisieren wäre für den Pilz ein «evolutionary advantage«, weil die Konsumenten ja helfen die Sporen zu verbreiten. Darüberhinaus wird das Aufkommen der Ökologischen Bewegung in den 70er Jahren durch eine Bewusstwerdung, inspiriert durch den Konsum von offensichtlich beseelten Psilocybinpilzen, erklärt, da diese Überbringer von Botschaften bezüglich des Gesundheitszustandes unseres Planeten wären ! Der Leser wird wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass diese Pilze sich in den USA während der letzten 20 Jahre enorm verbreitet haben und dass man sie jetzt bevorzugt in von Menschen beeinflussten Gegenden, wie Parks, Gärten, Rasen bei Schulen, Kirchen und Industrie-Gebäude findet. Zugegeben, Stamets berichtet auf einer sachlicheren Ebene auch die Rolle, welche die Anwendung von Holzsplittern (um Beete Unkrautfrei zu halten ) zur Schaffung eines für z.B. Psilocybe cyanescens Wakefield geeigneten Habitats spielt. Der Verfasser weist die potentiellen Konsumenten auf die Notwendigkeit hin die gesammelte Pilze genau zu identifizieren. Tatsächlich hat es Vergiftungsfälle durch das Essen von Galerina autumnalis, die man irrtümlicherweise für Psilocyben gehalten hat, gegeben. Um den Lesern zu helfen, solche fatale Verwechslungen zu vermeiden, ist ein ganzes, mit Farbbildern illustriertes, Kapitel den «dangers of mistaken identification» gewidmet.
Im Teil «Good tips for great trips» ( was man mit «Gute Ratschläge für wunderbare Reisen» übersetzen könnte ) findet man bedauerlicherweise die übliche, sorglose Verherrlichung des Psilocybinrausches, der natürlich ohne Gefahr sei. Obwohl im allgemeinen Psilocybin als «soft drug» betrachtet wird, ist das Risiko für den Verbraucher doch nicht gering. Dysphorische Reaktionen, d.h. beklemmende Gefühle, akute Paranoia, Tage oder sogar Wochen andauernde Angstzustände sind, vor allem in nervös veranlagten Menschen, nicht selten beobachtet worden. Erfreuerlicherweise ist Paul Stamets der Ansicht, dass ein Minimum an Vorsichtsmassnahmen notwendig sei. So wird der Verbrauch neurotischen Personen abgeraten. Viel Wert wird auch auf eine gute Stimmung und Umgebung während der «Reise» gelegt. Überdies gibt Stamets Tabellen und Histogramme, basierend auf dem mittleren Gehalt an Psilocin und Psilocybin in den verschiedenen Arten, die es ermöglichen die richtige wirksame Dosis zu berechnen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Stamets Buch weitaus der beste und vollständigste Führer für psilocybinhaltige Pilze darstellt. Auch wenn der Leser nur mykologisch an der Gattung Psilocybe interessiert ist, kann man den Kauf höchst empfehlen. Berücksichtigt man die angebotene Information und die hervorragenden Illustrationen, ist das Buch sehr preiswert.


©Tjakko Stijve, Sentier de Clies no 12, CH - 1806 St Légier. E-mail : tjakko.stijve@bluewin.ch
URL: http://www.pilzepilze.de/pmotw_tj.html

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